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Mike Millman, Spezialist im Meeresangeln, beschreibt eines der am besten entwickelten Teile des Angelgeräts, die Multirolle
Bei Meeresrollen unterscheidet man zwischen Stationärrollen (sie hängen unter der Rute) und der Multirolle. Sie werden stehend gefischt, daher befindet sich die Rolle auf der Oberseite der Rute. Viele Anfänger bevorzugen die Stationärrolle. weil sie einfach zu handhaben ist: Man hält die Schnur, legt den Bügel um und wirft aus. Aber Stationärrollen haben auch ihre Tücken beim Einholen der Schnur und besonders beim Drill großer Fische.
Multirollen sind kompakt. Die Spule steht im rechten Winkel zur Schnur, dadurch hat man immer direkten Kontakt zum Fisch.
Die Multirolle steht in Deutschland etwas im Schatten, weil sie manchen Anglern zu kompliziert erscheint. Nur beim Meeresangeln – und hier speziell beim Bootsfischen – hat sich die Multirolle durchgesetzt. Bei Multirollen handelt es sich um präzise Instrumente, die leicht zu bedienen sind.
Der Name „Multi“ (von Multiplikator = „Vervielfacher“) bezieht sich auf die Übersetzung der Spule. Die Schnurtrommel dreht sich zwei-, vier- oder gar sechs mal pro Kurbelumdrehung. Dieses Verhältnis wird stets mit den Zahlen 2:1, 4:4 oder 6:1 angegeben.
Kleine Multirollen besitzen eine hohe Übersetzung, um die Schnur schnell einzuholen. Die großen Multi rollen haben eine geringere Übersetzung und somit eine bessere Kraftübertragung beim Kampf mit einem großen Fisch.
Multirollen sind robust und zuverlässig. Sie nehmen es selbst mit den wildesten Kämpfern auf, Lippfische wie dieser inklusive.
Hauptmerkmale
Multirollen bewähren sich schon seit Jahrzehnten. Sie bestehen aus Bremssystem. Spule, Knarre, Fliehkraftbremse, Schnurführung (nicht bei allen Modellen) und Gehäuse.
Bremssystem: Das wichtigste Teil (und auch das schwächste einer Multirolle) ist die Scheibenbremse. Bei einem billigen Modell kann die Bremse als erstes versagen, doch mit dem Kauf eines Markenproduktes geht man in jedem Fall auf Nummer sicher.
Die Bremse lässt sich so einstellen, wie es die Tragkraft der Schnur erfordert. Ein großer Fisch kann so gegen den Bremszug Schnur nehmen; ohne Bremse würde er die Schnur zerreißen.
Weit Wurf
Brandungsangler entfernen häufig den Schnurführungsarm von ihren Rollen. Sie behaupten, damit ihre Wurfweiten um 9-14 m zu vergrößern. Allerdings muss man dann beim Einholen die Schnur mit dem Daumen gleichmäßig auf der Spule verteilen.
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Bremsen.
Die Sternradbremse wird durch ein sogenanntes Sternrad bedient. Es befindet sich zwischen Kurbel und Gehäuse. Am gegenüberliegenden Ende der Kurbel befindet sich entweder ein zweiter Kurbelgriff oder ein Gegengewicht, um die Kurbel auszubalancieren. Dadurch wird ein ruhigerer Schnureinzug ermöglicht. Dreht man das Sternrad nach vorn, verstärkt sich die Bremskraft. Wird das Sternrad zurückgedreht (zum Angler hin), verringert sich der Bremszug.
Das zweite Bremssystem arbeitet mit einem Bremshebel, dem sogenannten Lever Drag. Dieses System war bis vor einiger Zeit für die meisten Angler zu teuer. Doch inzwischen sind die Preise gesunken. Das Sternrad wurde durch einen einzelnen Hebel ersetzt, der an der oberen rechten Seite des Gehäuses vor- und zurückgeschoben werden kann. Je weiter der Hebel nach vorn geschoben wird, desto höher ist die Bremskraft. Bei Multirollen mit Lever Drag entfällt der Knopf für den Schnurfreilauf. Um die Schnur freizugeben, wird der Hebel einfach ganz nach hinten geschoben.
Schnurspule: Plastik-Schnurspulen sollten nur zum leichten Küstenangeln und zum Brandungsangeln eingesetzt werden. Zum schweren Bootsangeln oder gar Big-Game-Fischen sind stärkere Spulen aus Aluminium oder rostfreiem Stahl notwendig. Beim Drill stärkerer Fische ist die Spule extremen Belastungen ausgesetzt, zu schwache Spulen können sich dabei leicht verziehen oder gar brechen.
Knarre: Werden Schnurfreilauf und Knarre gleichzeitig eingeschaltet, verhindert dies den freien Schnurablauf. Man hat aber einen hervorragenden Bissanzeiger, denn nimmt jetzt ein Fisch den Köder und schwimmt damit weg, wird der Schnurabzug durch lautes Kreischen der Knarre angezeigt. Viele Angler nutzen diese Art der Bissanzeige nicht aus oder setzen sie sogar falsch ein: Sie öffnen anstatt des Schnurfreilaufs die Bremse. Schwimmt jetzt ein Fisch mit dem Köder davon, muss man die Knarre ausschalten und die Bremse neu justieren.
Wird die Knarre richtig benutzt – mit freilaufender Spule – hat man bei einem Biss im Nu die Rute aufgenommen und Freilauf wie auch Knarre ausgeschaltet. Man sollte die Knarre auf keinen Fall vor dem Freilauf ausschalten und auch nicht bei normalem Gebrauch verwenden.
Kleinere Multirollen können ausgezeichnet zum Spinnangeln an der Küste eingesetzt werden. Meerforellen, Makrelen und Dorsche gehören hierbei zur bevorzugten Beute. Das Fischen mit leichtem Gerät (feine Rute und Schnur mit 4-5 kg Tragkraft) kann ungeheuer aufregend sein, besonders dann, wenn ein gehakter Fisch zu einer langen, harten Flucht ansetzt.
Die Fliehkraftbremse: Viele Multirollen (besonders solche für das Küsten- und Spinnangeln) haben Fliehkraftbremsen. Man unterscheidet Zentrifugalbremsen und Magnetbremsen. Sie sollen die Bildung von Schnurperücken beim Wurf verhindern. Sobald sich beim Wurf die Spule schneller dreht als die Schnur abzieht, kommt es zu großen Verwicklungen.
Zentrifugalbremsen haben normalerweise zwei kleine Fliehkraftgewichte, die beim Wurf durch die Zentrifugalkraft von innen an das Rollengehäuse drücken. Je schneller sich die Spule dreht, desto stärker reiben die Fliehkraftgewichte am Gehäuse, und um so höher ist dadurch die Bremswirkung auf die rotierende Spule.
Ein Nachteil dieses Bremssystems besteht darin, dass es nicht regulierbar ist. Man kann die Bremswirkung also nicht dem Können des Anglers anpassen. Sehr erfahrene Multirollenwerfer entfernen die Gewichte deshalb häufig.
Zwei Arten von Fliehkraftbremsen
Magnetbremsen haben entlang der Spule und des Rollengehäuses 8-12 Magneten. Wenn die Spule rotiert, entsteht ein Magnetfeld, das die Spule abbremst. Mit einem Stellknopf reguliert man die Stärke des Feldes. Die Bremswirkung kann so dem Können des Werfers angepasst werden.
Zentrifugalbremsen haben zwei Plastik-Fliehkraftgewichte an der Spulen Innenseite. Wenn die Spule rotiert, drücken die Fliehkraftgewichte gegen das Gehäuse und erzeugen Reibung. Die Bremswirkung lässt sich nicht einstellen. Es ist nicht empfehlenswert; die Fliehkraftgewichte zu entfernen.
Die Kraft des Magnetfeldes
Magnetbremsen bestehen aus zwei Reihen von acht oder zwölf Magneten, die kreisförmig am Spulen- und Gehäuserand angebracht sind. Sobald die Spule anfängt zu rotieren, wird ein Magnetfeld zwischen den beiden Magnetreihen erzeugt, das die Spule abbremst. Je näher die Magnetreihen zueinander stehen, desto stärker ist das von ihnen erzeugte Feld – und desto größer ist die Bremswirkung.
Dieses Bremssystem ist regulierbar und kann den Wurffähigkeiten des Anglers angepasst werden. Durch Entfernen der Magneten erreicht man völligen Freilauf der Spule.
Im Gegensatz zu Pilkrollen (ganz rechts) brauchen Multirollen zum Wrackangeln große Spulen und niedrige Übersetzung. Nur so können Pollack und Conger aus großen Tiefen hochgepumpt werden.
Die Schnurführung: Beim Schnureinzug sorgt die Schnurführung für gleichmäßige Verteilung der Schnur auf der Spule. Manche Angler entfernen die Schnurführung und glauben, dadurch ihre Wurfweiten zu verbessern. Doch nach dem Entfernen der Schnurführung müssen sie mit dem Daumen die Schnur verteilen. Einige Angler haben damit überhaupt keine Probleme, andere hingegen tun sich sehr schwer; es ist also nicht unbedingt zu empfehlen. Der Schnurführungsarm läuft auf einer Metallschiene im vorderen Teil der Rolle hin und her.
Das Gehäuse: In den letzten Jahren hat sich die Auswahl an Gehäusematerialien ständig vergrößert. Rostfreier Stahl und Aluminium wurden vielfach durch Kohlefaser ersetzt. Sie ist extrem hart, ultraleicht und kann mit größter Präzision geformt und verarbeitet werden. Zudem kommen Titanbremsen und andere ursprünglich für die Raumfahrt entwickelte Materialien zum Einsatz.
Übung und Geduld sind Grundvoraussetzungen für weite Würfe beim Brandungsangeln mit Multirollen.
Der Gebrauch der Multirolle
Bevor die Spule mit monofiler Schnur gefüllt wird, sollte man ein weiches, druckabsorbierendes Backing aufspulen. Denn eine in vielen Lagen gewundene monofile Schnur übt einen enormen Druck aus. Man kann dies sehr leicht prüfen, indem man ein kurzes Stück einige Male um seinen Finger wickelt.
Übung: Das Fischen mit Multirollen ist einfach, obwohl viele Angler das Gegenteil behaupten! Entscheidend ist die korrekte Handhabung, und die erreicht man nur durch Übung. Wenn der Köder auf Tiefe gelassen oder ausgeworfen wird, muss der Freilauf kontrolliert werden, damit die Spule nicht überdreht. Hierzu wird am einfachsten der Daumen benutzt. Unachtsamkeiten führen zu erheblichen Verwicklungen der Schnur.
Rollenpflege: Das Rollengehäuse ist in der Regel salzwasserbeständig. Trotzdem sollte die Rolle nach jedem Fischen mit Süßwasser gespült und in einem warmen Raum getrocknet werden. Geben Sie gelegentlich einen Tropfen Öl auf die beweglichen Teile, und Sie werden eine Rolle haben, auf die Sie sich jahrelang verlassen können.
Beim Big-Game-Fischen auf Marlin oder Thunfisch ist eine Multirolle von hoher Qualität unerlässlich. Der Harness wird vorne an der Rolle eingeklinkt.
Feste Bremse
Es gibt Situationen, in denen mit völlig festgestellter Bremse gefischt werden muss. Dazu gehört das Gonger-Fischen über Schiffswracks. Nach dem Anschlag muss der Gong er unbedingt einige Meter hochgepumpt werden, damit er sich nicht an Wrackteilen festsetzt. Gelingt es dem Gonger, auch nur ein bisschen Schnur zu nehmen und in die Sicherheit des Wracks zu flüchten, ist der Angler der Verlierer. Hat man den Gonger erst einmal im Mittelwasser, löst man die Bremse wieder soweit, dass der Fisch Schnur nehmen kann.
Rostfrei
Nach dem Angeln muss man die Multirolle gründlich mit Süßwasser spülen, damit entscheidende Rollenteile nicht anfangen zu rosten. Viele Angler vergessen häufig auch, nach dem Gebrauch die Rollenbremse zu lösen.
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