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Seit ihrer Jugend ist die Designerin Sandra Halkon-Hunt Anglerin, die britischen Matchfischer lieben die von ihr entworfene Teamkleidung
Weit entfernt von der englischen Nordseeküste windet sich das Flüsschen Trent durch die leicht gewellte Landschaft von Nottingham. Im Landesinneren, da, wo Sandra Halkon-Hunt am liebsten angelt, bei Littleborough am River Trent, machen sich die Gezeiten der Nordsee noch bemerkbar. Der Oktoberwind bläst kräftig und zerzaust Sandras blonden Schopf, während sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgeht: Mit Stickpose stellt sie dem Rotauge nach. Sie fischt mit abtreibender Pose (Trotting).
Sandra Halkon-Hunt ist Großbritanniens bekannteste Anglerin. Sie hat nicht nur durch ihre topmodische Mannschaftskleidung frischen Wind in die Matchangelei gebracht: Sie ist selbst auch eine erstklassige Matchanglerin. Das bewies sie 1990 eindrucksvoll mit ihrem Sieg bei der englischen Meisterschaft der Frauen.
12:15 Uhr Stöcke und Steine
Die Flut hatte ihren Höchststand gegen 9:30 Uhr erreicht, und der Wasserspiegel ist schon wieder so weit abgesunken, dass einige Steinbrocken in Ufernähe zum Vorschein kommen. Jenseits der Steine geht der Grund in Schlick über. Es hat in letzter Zeit wenig geregnet, und so wirken sich die Gezeiten stärker aus als gewöhnlich. Rötlich-brauner Schlick trübt das Wasser, doch mit ablaufender Flut wird es zusehends klarer.
Man muss hier nicht weiter als ein, zwei Rutenlängen auswerfen, selbst an ganz windstillen Tagen. Wegen des heute starken Windes entschließt sich Sandra Halkon-Hunt, eine relativ schwere Stickpose in Ufernähe an den Steinen vorbeitreiben zu lassen, um die Pose so gut wie möglich kontrollieren zu können.
Rotaugen fängt man hier meist in der Gewichtsklasse zwischen 170 und 700 g; außerdem gibt es Döbel und Brassen, gelegentlich können Karpfen und auch Hasel, Gründlinge und Ukelei (Laube) an die Angel gehen. Es empfiehlt sich also, kein übermäßig feines Gerät zu verwenden.
Sandra Halkon-Hunt benutzt eine 3,90 m lange Matchrute mit durchgehender Aktion und eine Kapselrolle, dazu eine Hauptschnur mit 0,9 kg (0,10 mm) Tragkraft, an die sie eine Stickpose mit 4BB-Schroten, ein Vorfach von 0,68 kg (0,08 mm) Tragkraft und einen 21er Haken mit Mini-Widerhaken (microbarbed) montiert. Wäre da nicht der starke Wind, würde Sandra Halkon-Hunt zusätzlich eine zweite, leichtere Montage für die gegen Nachmittag langsamer werdende Strömung zusammenstellen.
Kurz vor der Mündung des Trent kann man auch mit anderen Methoden Erfolg haben, aber eigentlich ist hier die Stickpose am sichersten. Sandra Halkon-Hunt entschied sich für eine 4BB-Pose, um den starken Gegenwind auszugleichen und in der starken Strömung die Pose zurückhalten zu können.
12:55 Uhr Anfüttern
Als alles fertig montiert ist, füllt sie bronzefarbene Maden in die eine Vordertasche ihrer Köderschürze und gekochten Hanf in die andere je zwei Liter hat sie davon.
Im flachen Wasser stehend beginnt Sandra Halkon-Hunt mit dem Angeln. Aus Erfahrung weiß sie, dass das Wasser an dieser Stelle 1,50 m tief ist, aber sie stellt die Pose etwa 25 cm tiefer ein. Der untere Teil der Pose ist aus schwerem Holz, trotzdem beschwert Sandra Halkon-Hunt sie gleich unterhalb mit einem zusätzlichen BB-Bleischrot, um ihr noch mehr Stabilität zu geben. Die restlichen Bleischrote werden entlang der unteren Hälfte der Schnur zwischen Floß und Haken angebracht. Durch diese Montage kann sie die Pose mit etwas mehr Kraft zurückziehen, während der Köder immer noch gemächlich am Grund entlangschwimmt (dort herrscht weniger Strömung als an der Wasseroberfläche). So wird die Pose auch nicht aus dem Wasser gezogen.
Sandra Halkon-Hunt schwor, ihr Glückskaninchen zu versenken, wenn sie nichts fangen würde !
13:05 Uhr Auffälliger Köder
Sandra befestigt zwei Maden am Haken, weil sie meint, das sei im trüben Wasser auffälliger als eine Einzelmade und werde auch eher die größeren Rotaugen in Versuchung bringen. Sandra arbeitet mit Routine: Bei jedem Auswerfen des Hakens gibt es Lockfutter: Eine kleine Handvoll Hanf direkt vor sich und einige Maden etwas Fluss aufwärts ins Wasser – auf diese Weise gleicht sie die unterschiedlichen Sinkgeschwindigkeiten der beiden Köder aus.
Indem sie erst auswirft, anschließend anfüttert und die Pose einen Moment zurückhält, erreichen Köder und Lockfutter den Grund gleichzeitig. Sandra rechnet mit einer Wartezeit von einer halben Stunde, bis der erste Schwarm Rotaugen durch dieses regelmäßige Anfüttern angelockt ist. Wenn sie dann gut fängt, muss sie möglicherweise zweimal pro Wurf füttern, um die Fische weiter anzulocken.
Sandra lässt die Pose jedes mal etwa 20 m abtreiben, bevor sie wieder einholt, um die ganze Länge der befischten Angelstelle auszukundschaften. Die ersten Bisse erwartet sie etwa auf halber Strecke, dort also, wo das Lockfutter den Grund erreicht. Sandra nimmt sich vor, nach spätestens 15 m die Schnur einzuholen, wenn sie bis dahin keinen Biss bekommt – auf diese Weise spart sie Zeit und vermeidet es, einen einzelnen Fisch am äußersten Ende ihres Angelplatzes zu haken, der dann zappelnd und kämpfend durch den ganzen Hauptschwarm herangedrillt werden müsste.
Ein Lastenkahn schippert stromab, während Sandra ihre Angel montiert. Der Trent wird hier von den Gezeiten beeinflusst und ist bei Middle Lane etwa 40 m breit. Große Lastenkähne gibt es hier viele.
13:10 Uhr Routine
Noch kein Biss, aber Sandra füttert weiter an mit der Präzision eines Uhrwerks. Sie hat die Pose noch weiter zurückgeschoben, fischt jetzt mit etwa 45 cm Übertiefe und hält die Pose beim Abtreiben noch fester zurück.
Ab und zu taucht die Pose ab, wenn der Haken sich an einem Stein verfängt. Jedes mal, wenn das passiert, überprüft Sandra die Spitze und ersetzt den Haken, auch wenn er nur wenig stumpf geworden ist. Sandra schätzt, dass sie bei jedem Angeln an dieser Stelle etwa sechs neue Haken braucht.
Sie überprüft den Köder nach jedem Auswerfen ohnehin sehr genau, weil Rotaugen den Köder manchmal einsaugen und wieder ausspucken, ohne dass sich der Biss bemerkbar macht. Man kann einen solchen Rotaugenbiß später daran erkennen, dass eine oder beide Maden durch die Schlundzähne des Fisches beschädigt wurden.
Damit solche Bisse auch angezeigt werden, empfiehlt Sandra, das unterste Bleischrot näher am Haken zu befestigen, um die Pose noch sensibler zu machen.
Die Bisse bleiben zwar noch aus, aber Sandra hat einige Fische in nächster Nähe aufsteigen sehen. Ob es Rotaugen sind?
Endlich bekommt Sandra ihren ersten Biss nur ein kurzes Zupfen, viel zu schnell für einen Anschlag. Sie glaubt zwar nur an einen kleinen Hasel, konzentriert sich jetzt aber umso mehr. Die Strömung hat etwas nachgelassen, und einige kleine Fische steigen immer noch an die Oberfläche. Darum verteilt Sandra die Bleischrote jetzt gleichmäßig wie Hemdknöpfe entlang der Schnur, für den Fall, dass die Fische den Köder beim Absinken nehmen.
Mit ungebrochener Konzentration lässt Sandra die Pose abtreiben. Die richtige Präsentation des Köders wird durch vorbeitreibenden Unrat, starken Gegenwind und Wasserwirbel erschwert. Letztendlich macht sich ihre Hartnäckigkeit jedoch bezahlt.
14:10 Uhr Erster Erfolg
Vereinzelt bekommt sie ganz leichte Zupfer, und jedes mal ist eine der Maden am Ende angeknabbert. Sandra befolgt ihren eigenen Ratschlag, beschwert die Pose mit einem zusätzlichen 6er Bleischrot und schiebt die unteren Bleischrote näher in Richtung Haken. „Diesmal kriegen wir einen Fisch“, prophezeit sie.
Wie auf Bestellung verschwindet die Pose, und der Fisch ist dran. In Sandras Gesicht zeigt sich Erleichterung, als sie den ersten Fang des Tages, einen kleinen Brassen, vom Haken löst.
Die nächsten anderthalb Stunden vergehen ereignislos. Allmählich klart das Wasser deutlich auf, während es langsam weitersinkt. Sandra Halkon-Hunt bekommt vereinzelt einen kurzen, schnellen Biß, aber die Fische lassen sich nicht haken. Sandra fängt den zweiten Fisch des Tages, einen Ukelei, der den Köder beim Absinken genommen hat. Beim nächsten Auswerfen attackiert ein übermütiger Ukelei das Rückschrot oberhalb des Floßes!
Wegen des steinigen Untergrundes rechnet Sandra Halkon-Hunt damit, dass sie sechsmal an einem Angeltag den Haken wechseln muss. Im Hintergrund erkennt man das etwas flussaufwärts gelegene Kraftwerk von Cottam, das Warmwasser in den Fluss leitet, was auch bei sehr kalter Witterung den Appetit der Fische anregt.
16:45 Uhr Jeder Wurf ein Bass
Schließlich wird Sandra Halkon-Hunt für ihre Ausdauer belohnt: Sie bekommt Biss auf Biss, allerdings keine Rotaugen. Ein kleiner Brassen nach dem anderen nimmt den Köder, so dass Sandra doch noch auf ein ansehnliches Fanggewicht kommt. Sie macht zwei Faktoren für ihre plötzliche Glückssträhne verantwortlich: zum einen das zurückgehende Wasser, das nun die Steine freigibt, Strömungswirbel verhindert und eine bessere Präsentation des Köders ermöglicht.
Zum anderen hat das Salzwasser der morgendlichen Flut die Fische weiter stromauf getrieben als gewöhnlich und ihnen erst spät am Nachmittag die Rückkehr stromab gestattet. Man kann Sandras Erfolg aber auch ihrem konsequenten Anfüttern bei jedem Auswurf zuschreiben, dem regelmäßigen Einstellen der Bebleiung und ihrer Methode, mal näher am Ufer und mal weiter draußen zu angeln, um so den gesamten Angelbereich abzusuchen.
Das Tageslicht schwindet schon, aber Sandra Halkon-Hunt denkt nicht ans Zusammenpacken, jetzt, da die Fische gut beißen. Ihr Floß taucht ab, sie schlägt geschickt an und hakt einen offensichtlich ziemlich großen Fisch. Vielleicht das große Rotauge, das sie sich erhofft hat? Zunächst glaubt sie an einen Brassen; nachdem sie den Fisch jedoch eine Weile vorsichtig in der Strömung gedrillt hat, taucht das riesige Maul eines Döbels auf. Schließlich landet sie den Fisch sicher – ein schönes Exemplar von 680 g.
Es ist schon fast dunkel, aber die kleinen Brassen sind immer noch beißfreudig. Ob Sandra Halkon-Hunt einen weiteren guten Fisch landen wird? Immer wieder sagt sie: „Ein letztes Mal werfe ich noch aus!“ und: „Das ist jetzt aber endgültig der letzte Versuch!“ Schließlich darf die Pose noch einmal abtreiben, sie taucht unter, und wieder kämpft ein Döbel an Sandras Angel. Dieser ist kleiner als der erste, aber immerhin: ein schöner Fisch zum Ausklang des Tages .
Hier keschert Sandra Halkon-Hunt gerade den ersten Fisch, ein kleiner Brassen. Alle Fische wurden mit zwei Maden gefangen, nachdem sie durch regelmäßiges Anfüttern an den Angelplatz gelockt worden sind. Sicherlich keine sehr ausdauernden Kämpfer, doch die hochrückigen Körper bieten im fließenden Wasser einigen Widerstand und biegen die Rute kräftig durch.
Sandras Montagen für Stickposen
Sandra Halkon-Hunt verwendete eine Stickpose, die 4BB-Schrot trägt, mit einem schweren Unterteil aus Tropenholz, das Stabilität gibt beim Zurückhalten der Pose. Gleich unterhalb der Pose brachte sie ein BB-Bleischrot als zusätzliche Stabilisierung an. Anfangs waren die übrigen Bleischrote in der unteren Schnurhälfte verteilt, näher am Haken als an der Pose (1), um den Köder am Grund zu halten.
Später, als die Strömung nachließ, brachte sie ein weiteres Nr. 6 Bleischrot an und verteilte das Blei hemdknopfartig an der Schnur (2), um Bisse beim Absinken zu ermöglichen.
Gegen den Drall
Doppelte Maden rotieren beim Einholen gern und lassen die Schnur bei starker Strömung verdrallen, knicken und verheddern. Sandra Halkon-Hunt hilft sich, indem sie eine der bei den Maden am spitzen Ende anködert und so den „Propeller-Effekt“ verringert. Außerdem hebt sie die Rutenspitze beim Einholen an, so dass der Köder direkt an die Oberfläche kommt. Und sie lässt sich beim Kurbeln viel Zeit!
Ein hübscher kleiner Brassen – keines der erhofften Rotaugen, für die der Trent hier so bekannt ist, aber nach einer langen, fast bissfreien Phase sehr willkommen.
Organisation = Erfolg
Um an Fließgewässern beim Auswerfen, Anfüttern und Fangen im richtigen Rhythmus zu bleiben, sollte man alles griffbereit haben, empfiehlt Sandra. Nicht nur die selbstverständlichen Utensilien wie Kescher und Hakenlöser, auch Schrotbleie und Ersatzhaken sollten in Reichweite bereitliegen. Wenn man dann nämlich das Angeln beispielsweise für einen Hakenwechsel unterbrechen muss, kann man so trotzdem weiterhin Lockfutter eingeben und damit verhindern, dass die Fische in der Zwischenzeit das Interesse verlieren und den Angelplatz wieder verlassen.
Mit 680 g kein kapitaler Döbel, aber ein makelloser Fisch, dessen Drill an dem leichtem Zeug spannend war und der Sandra Halkon-Hunt für das lange Warten in der Kälte entschädigt – ihr strahlendes Gesicht beweist es.
In Anbetracht der Umstände kann Sandra Halkon-Hunt zweifellos einen guten Fang vorweisen. Das Glückskaninchen kann sie also behalten. Allerdings verdankt sie diesen Erfolg nicht Fortuna, sondern ihrer Geschicklichkeit.
Weitere Meister-Angler
- Angler John Bailey in Norfolk am River Wensum
- Angler John Watson am Entwässerungskanal
- Angler Martin Menges in Dänemark an der dänischen Brede Au
- Chris Yates, Angler am unteren Hampshire Avon
- Roger Newton, Matchangler am Fluss Huntspill
- Angler Alan McAtee am Chorlton Water Park.
- Angler Mark Downes beim Angeln am Grand Union Canal
- Angler John Watson beim Winterangeln am Wensum
- Angler Dewi Evans beim Äschen angeln am Bala Lake
- Angler Carsten Wagner zeigt erfolgreiches Trolling-Fischen